18. Juni 2021

Dank ihrer wunderbaren Vitalität hat es die traditionelle Musik immer geschafft, die Jahrhunderte zu überleben. Die Modernität der traditionellen Musik ist in ganz Europa in ständiger Entwicklung begriffen, indem sowohl einheimische Traditionen als auch nicht-einheimische Ausdrucksformen aus anderen Ländern verwendet werden, die durch die Zwänge der Einwanderung in einen anderen sozialen Kontext transportiert werden.

Als Teil der Identität jeder Region und als universelle Kunstsprache steht die traditionelle Musik im Zentrum der europäischen Aufmerksamkeit, ihre tiefe Verwurzelung in einer lokalen Kultur, einer historischen Tradition, ermöglicht es ihr, zur Entwicklung der kulturellen Vielfalt beizutragen, während ihre Plastizität es ihr ermöglicht, einen reichen Dialog zwischen verschiedenen Kulturen zu fördern.

Balkantage 2.0 präsentiert die neuen Musiker*innen, die diese Diskussionen anregen können, indem sie neue Formen der traditionellen Musik als Mittel zur Unterstützung und Förderung der kulturellen Vielfalt in München einsetzen.

Imamovićs Sevdah-Musik wird seit Generationen in seiner Familie gelernt, erforscht und gesungen, und einer der berühmtesten modernen Sevdah-Sänger nach dem Zweiten Weltkrieg war sein Großvater Zaim Imamović. Trotzdem gelang es Damir Imamović, sich von der klassischen Sevdah-Tradition zu lösen und dazu beizutragen, diese traditionelle alte Musik einem jüngeren Publikum nahe zu bringen und das Interesse auf internationaler Ebene zu wecken.

Singer of Tales von Damir Imamović ist ein glückliches Zusammentreffen. Hier kommen Respekt gegenüber der Tradition, Innovation und grosses Handwerk zusammen. Für Damir Imamović ist Sevdah nicht nur Liederbuch, sondern eine Geschichtensammlung – und Geschichten haben oft eine längere Lebensdauer als Melodien.

Der bosnische Sänger und Tambur-Spieler Damir Imamović ist der „König der Sevdah-Musik“!

– Huffington Post

Sevdah – der Balkan-Blues, der die Menschen schon mit dem ersten Ton mitten ins Herz trifft. Weil sie so traurig ist und vom Freud und Leid des Lebens erzählt. In Bosnien – dem kleinen Land auf dem Balkan – haben sich die Völker schon immer gemischt. Diese kulturelle Vielfalt ist in die Sevdah-Musik eingeflossen.

Mit seinen Lied gewordenen Geschichten, die Imamovic in so illustren Konzertsälen wie dem Concertgebouw Amsterdam oder dem Pariser Centre Pompidou erzählt, will der Künstler die Gräben der Vergangenheit überwinden.

Imamović und sein neues pulsierendes Quartett, bestehend aus dem legendären Bassisten Greg Cohen (John Zorn, Tom Waits, Ornette Coleman), einem der türkischen Premium-Solisten auf der Kemenche, Derya Türkan (Kudsi Ergüner, Erkan Ogur), und der virtuosen Geigerin Ivana Djurić nähren die Hoffnung auf ein friedliches Miteinander der Menschen auf dem Balkan.

Transglobal World Music Chart hat Album „Singer of Tales“ als „Best of Europe“ ausgezeichnet.

Damir Imamović

Damir Imamović, geboren 1978, ist ein Sänger, Musiker, Autor und Sevdah-Meister aus Sarajevo, Bosnien-Herzegowina. Er entstammt einer Familie von Sevdah-Musikern und repräsentiert eine neue Generation der traditionellen Musik Bosnien-Herzegowinas. Seit 2005 tritt Damir mit seinem Trio, seinem „Sevdah Takht“-Quartett sowie gelegentlich mit Projekten mit Jelena Popržan, Bojan Z, Eric Vloeimans, Greg Cohen und Derya Türkans auf. Er nahm sechs CDs für verschiedene Labels (Glitterbeat Records, Wrasse Records) auf und arbeitete mit Produzenten wie Chris Eckman und Joe Boyd zusammen. Mit seinen zahlreichen Projekten tourte Damir durch China, Mexiko, ganz Europa und die USA, während er an prestigeträchtigen Orten, wie bspw. im Kennedy Centre (Washington DC), Concertgebouw (Amsterdam), Kolarac (Belgrad) und im Centre Pompidou (Paris) auftrat. Über seine Arbeit wurde außerdem der Dokumentarfilm „Sevdah“ von Marina Andree-Škop gedreht (DIM, 2009). Weiterhin ist er mit seinem SevdahLab-Programm als traditioneller Musikpädagoge sehr aktiv und schrieb mit dem Buch „Sevdah“ außerdem die erste Geschichte des Genres (Vrijeme, 2016).

Greg Cohen

Greg Cohen, geboren 1953, ist ein amerikanischer Jazzbassist. Am bekanntesten ist er für seine Arbeit mit John Zorns Masada Quartett. In letzter Zeit war er mit Ornette Coleman auf Tournee und trat auf dessen preisgekröntem „Sound Grammar“- Album auf.

Cohen hat mit einer Vielzahl von Künstlern aus vielen verschiedenen Musikstilen zusammengearbeitet. Er hat traditionellen Jazz mit Ken Peplowski, Kenny Davern, Marty Grosz und dem Filmemacher/Klarinettisten Woody Allen gespielt. Weitere Zusammenarbeiten erfolgten mit den Künstlern Tom Waits, David Byrne, Elvis Costello, Dagmar Krause, David Sanborn, Susana Baca, Laurie Anderson, Willie Nelson, Bill Frisell, Norah Jones, Dave Douglas, Tricky, Keith Richards und Charlie Watts, Joey Baron, Bob Dylan, Nina Nastasia, Lou Reed, Marianne Faithfull, Odetta und Antony and the Johnsons.

Er hat als Arrangeur, Produzent, musikalischer Leiter und Komponist für Theater, Film und Fernsehen sowie Aufnahmestudios gearbeitet. Gegenwärtig ist Cohen Leiter der Bass Abteilung am Jazz-Institut Berlin.

Derya Türkan

Derya Türkan ist ein Meister der türkischen Kemenche (3-saitige Geige). Sein Repertoire darauf umfasst sowohl improvisatorische als auch osmanisch klassische Musikstücke.

Er wurde 1973 in Istanbul geboren und absolvierte die Geigenklasse von İhsan Özgen am staatlichen türkischen Musikkonservatorium. Im Jahr 1990 wurde er als Gastmusiker in das Staatliche Türkische Musikensemble Istanbul unter der Leitung von Necdet Yaşar eingeladen und trat 7 Jahre lang mit diesem Ensemble auf.

1991 trat er dem TRT Istanbul Radio bei und machte dort Aufnahmen mit vielen großen türkischen Künstlern wie Alaadin Yavaşça, Bedri Sıdkı Sezgin, Niyazi Sayın und Erol Deran. Seit 1992 spielt Türkan mit der Gruppe Kudsi Ergüner und mit der Gruppe Anatolian unter der Leitung von İhsan Özgen. Außerdem gründete er mit Cengiz Onursal und Murat Aydemir die Gruppe İncesaz.

Türkan arbeitete mit einer Vielzahl von Musikern zusammen und absolvierte weltweite Auftritte. Zudem nahm er das Album „Fuad“ mit dem armenischen Pfeifenkünstler Djivan Gasparyan und Erkan Oğur sowie „Silk Moon“ mit dem Bassisten Renaud Garcia Fons auf.

Ivana Đurić

Ivana Đurić ist eine virtuose bosnische Geigerin. Sie wurde 1984 in Sarajevo geboren und begann ihre klassische Musikausbildung im Alter von 9 Jahren. Sie studierte Violine in Bosnien und Frankreich. 1996 wurde ein UNICEF-Film gedreht, in dem Ivana das Doppelviolinkonzert von Bach mit dem renommierten Geiger Maxim Vengerov spielte.

In ihren Zwanzigern begann sie mit Leidenschaft traditionelle bosnische Sevdah-Musik zu erforschen und zu arrangieren. Von 2010–2014 war sie Mitglied des Nationalen Radio-Fernseh-Orchesters und tritt auch heute noch regelmäßig mit diesem Orchester im Rahmen verschiedener Projekte auf.

In ihren Zwanzigern begann sie mit Leidenschaft traditionelle bosnische Sevdah-Musik zu erforschen und zu arrangieren. Von 2010-2014 war sie Mitglied des Nationalen Radio-Fernseh-Orchesters und tritt auch heute noch regelmäßig mit diesem Orchester im Rahmen verschiedener Projekte auf.

Songlines Music Award 2021

Sein neuestes Album, das Sevdah-Klassiker und Eigenkompositionen kombiniert, wurde von unserem Rezensenten als „eines der besten Werke, die Bosnien in diesem Jahrhundert hervorgebracht hat“ beschrieben.

songlines.co.uk

CD Release „Singer of Tales“

feat. Greg Cohen, Derya Türkan and Ivana Đurić / Wrasse Records, 2020

„Singer of Tales“ wins Schallplattenkritik Prize! 

Die Geschichte des Singer of Tales

„Jede große Musikform sollte das Glück haben, einen Champion wie Damir Imamović zu haben“, sagt Produzent Joe Boyd. Der Künstler, den die Huffington Post als ‚König der Sevdah-Musik‘ bezeichnet, ist sowohl ein brillanter und charismatischer Interpret als auch ein unermüdlicher Innovator, der stets originelle Wege findet, um die reiche Vergangenheit des Sevdah auf lebhafte Weise mit der Zukunft zu verbinden. Für sein neues Studioalbum stellte er ein All-Star-Team zusammen: den renommierten Bassisten Greg Cohen, den türkischen Kemenchen-Meister Derya Türkan und den Geigenvirtuosen Ivana Đurić. Der legendäre Produzent Joe Boyd, die Co-Produzentin Andrea Goertler und der mit einem Grammy ausgezeichnete Toningenieur Jerry Boys vervollständigten das Line-Up. Das Album kombiniert die kraftvolle und exquisite Tenorstimme von Imamović mit einer ungewöhnlichen und reichen Mischung aus vier Saiteninstrumenten, die einen verführerischen und originellen akustischen Klang zu erzeugen. Singer of Tales ist eine tief bewegende Hommage an die Kunst des Geschichtenerzählens.


Es war keineswegs absehbar, dass Damir Imamović Musiker werden würde, geschweige denn ein Visionär, der einen Aufstand in der Welt der Sevdah anführen würde. Als Sohn einer berühmten Musikerfamilie aus Sarajevo waren die Klänge und Worte der Sevdalinka (Sevdah-Lieder) in seinem Leben allgegenwärtig. Doch Damir widersetzte sich seiner Berufung und ging an die Universität, um Philosophie zu studieren.

Das Wort Sevdah stammt vom arabischen Wort sawdah, was wörtlich „schwarze Galle“ bedeutet, und wurde von Portugal (saudade) bis in die Türkei (sevda) übernommen, um Sehnsucht und Liebe auszudrücken. Die musikalische Form lässt sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen und entwickelte sich in den Cafés von Sarajevo und Mostar im 19 Jahrhundert weiter. In den 1920er und 30er Jahren wurde sie im neuen Jugoslawien populär und war während der kommunistischen Zeit von 1945 bis 1990 ein fester Bestandteil der Massenunterhaltung. Sevdah riskierte, zu einem unmodernen Relikt der Tito-Ära zu werden, hätte er nicht während des Bosnienkrieges eine neue und größere Bedeutung für die junge Generation, einschließlich Damir Imamović, bekommen.

Als für mich die Zeit kam, Sevdah als meine Berufung zu akzeptieren, war dies bereits der Beginn des 21. Jahrhunderts. Ich beeilte mich, seine letzten verbliebenen Meister zu treffen und jagte alten Tonbandspulen aus privaten Zusammenkünften, von seltenen Auftritten und ungewöhnlichen Liedern nach.

– Damir Imamović

So wurde Damir im Folgenden ein leidenschaftlicher Schüler des Handwerks, der Techniken und das Repertoire der alten Meister erlernte. Sie lehrten ihn auch, dass der Sevdah nicht stillstehen oder gleichbleiben kann, dass jede Generation und jeder Sänger seinen eigenen Sevdah finden muss. Er wurde ein unermüdlicher Fürsprecher – er schrieb, hielt Vorträge und vor allem komponierte und spielte er.

Sein Verständnis für die Tiefe der Musikgeschichte änderte sich, als er Anfang der 1930er Jahre ein Buch des Harvard-Ethnographen Albert Lord über die Balkanreisen seines Mentors Milman Parry entdeckte. Ihre Studien verbanden den Balkangesang des 20. Jahrhunderts mit alten Epen, die bis in die Zeit Homers zurückreichen. Vor allem aber stellte Lords Buch das universelle menschliche Bedürfnis nach Geschichten in den Mittelpunkt dieser Musik. Es trägt den Titel „Singer of tales“ und inspirierte dieses Album.


Der Weg zur Aufnahme dieser Platte begann, als Damir auf dem Jazzfestival von Sarajevo den türkischen Kemenche-Meister Derya Türkan hörte. Die Kemenche ist ein altes Streichinstrument, das sowohl mit persischen und südasiatischen Traditionen als auch mit denen Griechenlands und des Nahen Ostens verwandt ist. Türkans Spiel hat verschiedenste, sehr diverse Ensembles, wie die von Kudsi Ergüner und Jordi Savall, bereichert. Im folgenden Sommer nahm Damir gemeinsam mit Derya auf der Insel Kreta an seinem türkischen Makam-Meisterkurs bei einem Labyrinth Music Workshop teil. Sie entdeckten, dass sie beide musikalische Abenteurer waren und versprachen sich, gemeinsam die jahrhundertealten Verbindungen zwischen Sevdah und osmanischer Musik zu erforschen.

Nach einem Konzert in der altdalmatischen Stadt Pula wurde Damir von dem amerikanischen Bassisten Greg Cohen angesprochen, der sich im Publikum befand. Damir kannte und bewunderte Gregs Arbeit mit John Zorns Masada und Tom Waits schon lange. Nachdem er mit Koryphäen wie Bob Dylan, Ornette Coleman, Elvis Costello, Laurie Anderson und Willie Nelson Aufnahmen gemacht und mit ihnen auf Tournee gegangen war, war Cohen stets bestrebt, in weniger bekannte musikalische Traditionen aus aller Welt einzutauchen. Ein Treffen von Damir, Greg und Derya in Berlin inspirierte sie zu einer Zusammenarbeit.

Um seinen 40. Geburtstag im Herbst 2018 zu feiern, beschloss Damir, die beiden großen Musiker für ein besonderes Konzert nach Sarajevo zu bringen, und lud auch die bosnische Geigerin Ivana Đurić ein, sich ihnen anzuschließen. Damir hörte sie zum ersten Mal fünf Jahre zuvor in einem Aufnahmestudio in Sarajevo und war beeindruckt von der schönen Klangfarbe ihrer Spielweise und der tiefen Musikalität ihrer frischen Annäherung an Sevdah. Er lud sie bald darauf ein, seiner Band Sevdah Takht beizutreten. Seitdem hat sie mit ihm Aufnahmen gemacht und ist mit ihm auf Tournee gegangen.

Die Produzenten Joe Boyd und Andrea Goertler trafen Damir bei einem Besuch in Sarajevo im Jahr 2014 und waren sofort von seinem Gesang und seinem Sevdah begeistert. In den folgenden Jahren wurden sie Freunde; das Geburtstagskonzert war eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen durfte. Es war eine Offenbarung: Die vier großen Interpreten füllten den Saal mit Musik, die tief bewegend und aufregend originell war. Ein Musikaufnahme-Projekt war geboren.

Für uns als Produzenten waren die Aufnahmesitzungen eine außergewöhnliche Erfahrung. Es lag Alchemie in der Luft. Wir liebten es, mit diesen vier Virtuosen zu arbeiten, während sie die Lieder erforschten, einander aufmerksam zuhörten, improvisierten und ihren Groove fanden – und auf diese Weise etwas wirklich Neues schufen, während sie den altehrwürdigen Sevdah respektierten.

– Joe Boyd & Andrea Goertler, Album-Produzenten

Hinter dem Mischpult stand kein Geringerer als der Ingenieur Jerry Boys, Gewinner des Grammys für seine Arbeit mit dem Buena Vista Social Club und Ali Farka Touré sowie langjähriger Mitarbeiter von Joe Boyd. Sie haben bei Aufnahmen von Sandy Denny, R.E.M., Toumani Diabaté, Cubanismo und vielen anderen zusammengearbeitet. Andrea, Joe und Jerry hatten 2017 beim Debütalbum des albanischen Ensembles Saz’iso zusammengearbeitet.

Singer of Tales wurde im März 2019 innerhalb von vier Tagen im Tritonus-Studio in Berlin live aufgenommen.


Die Geschichten, die Damir Imamović darauf erzählt, offenbaren sowohl ein tiefes Verständnis der Sevdah- und Bosnien-Geschichte als auch eine Verbindung zur Gegenwart. Das Album beginnt mit „O bosanske gore snježne“ (Oh die verschneiten Berggipfel) von Omer Ombašić, der, wie viele Muslime aus Ostbosnien, in den 1990er Jahren vertrieben wurde. Vor einigen Jahren besuchte er Damir aus Schweden und schenkte ihm dieses atemberaubende Lied über den Schmerz des Exils und die Entschlossenheit zur Rückkehr.

Die Liebe ist natürlich das Thema, welches Epochen überschreitet. Das wunderschöne „Kafu mi draga ispeci“ (Mach Kaffee für mich, Liebling), eines der beliebtesten Sevdalinka aller Zeiten, war während der kommunistischen Jahre wegen seiner verführerischen Offenheit verpönt: „Mach Kaffee für mich, Liebling… Ich komme gegen Mitternacht“. Historisch gesehen mussten Liebende während längerer Brautwerbephasen Abstand halten, und Sehnsucht war die Regel, wie im Lied „Poljem se vija Hajdar delija“ (Haydar der Tapfere) aus dem 19. Jahrhundert. Greg Cohens Bassline-Groove erinnert an die Hufe von Haydars Pferd, wenn er und seine in einen Turm eingesperrte Geliebte beim Vorbeireiten die Augen verschließen. Sehnsucht in „dramatischer“ Dimension, wie Damir es ausdrückt, findet sich in „Gdje si dragi“ (Wo bist du), einem von Milman Parry in den 1930er Jahren aufgenommenem Lied, das durch Aufnahmen der Sevdah-Diven Nada Mamula und Zehra Deović („Die Sehnsucht nach dir verbrennt meinen Körper und meine Seele“) berühmt wurde. Die über dem Gesang schwebende Geige von Ivana Đurić erinnert an den Roma-Stil, dem der Sevdah so viel zu verdanken hat.

Der tragische „Sunce-Ton“ (Die Sonne geht unter) ist ein Schrei aus dem Grab im Walzertakt. Die Worte stammen aus einem Gedicht des berühmten Mostar-Dichters, Aleksa Šantić, aus dem 19. Jahrhundert. Es wurde während der kommunistischen Ära oft aufgeführt, aber da die Romantik des Fin-de-siècle als ideologisch verdächtig galt, konnte der Name des Dichters nicht genannt werden. „Puhni tihi vjetre“ (Oh, leichtester Wind) wurde in den 1970er Jahren vom gesamten Rundfunkorchester von Sarajevo mit einer seltenen Gesangseinlage von Damirs Bassisten Vater Nedžad aufgenommen. Damir zerlegt es in ein Duett zwischen Stimme und Bass, wobei er die Haiku-ähnliche Einfachheit der herzzerreißenden Texte wieder aufgreift.

Sowohl „Salko se vija“ (Salko weint vor Schmerz) als auch „Kad bi ovo bio kraj“ (Wenn dies das Ende wäre) erzählen von der Liebe einer Mutter zu ihrem Sohn. Der Ausgang war jedoch nicht immer glücklich; „Salko se vija“ zeigt den Konflikt zwischen wahrer Liebe und einer patriarchalischen Tradition, die die Ehe als ein wirtschaftliches Projekt betrachtet. Die mütterliche Zuneigung ist im zweiten Lied gütiger, in dem eine Mutter Abschiedsrituale vollzieht, als ihr Sohn zur Armee aufbricht. Ursprünglich von Damir für eine Theaterproduktion komponiert, verwendet „Kad bi ovo bio kraj“ einen klassischen türkischen 10/8-Rhythmus, den er von Derya Türkan gelernt hat, der göttliche Kemenche-Linien in das Lied einwebt.

Fünfhundert Jahre osmanischer Herrschaft beeinflussten die bosnische Kultur merklich, aber einen sterbenden Sultan und das Schicksal seines Harems mitfühlend zu besingen, war dennoch einfacher, als die lange Gefangenschaft vorüber war. Himzo Polovina und Zaim Imamović, Damirs Großvater, gehörten zu den Stars, die „U Stambolu na Bosforu“ (In Istanbul am Ufer des Bosporus) populär machten.

Bosnien ist seit Jahrhunderten ein Land unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Kulturen, aber die Aufnahme sephardischer Juden, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts aus Spanien dorthin ins Exil verbannt wurden, ist kaum bekannt. Auf der ganzen Welt ist „Adio Kerida“ ein populäres jüdisches Lied, das Damir auf Ladino singt und dem er ausschließlich für die jüdische Gemeinde von Sarajevo eine einzigartige Strophe hinzufügt.

Nachdem er das Album mit einem Lied über die Sehnsucht eines Exilanten nach seiner Rückkehr begonnen hat, beendet Damir es mit „Čovjeku moje zemlje“ (An die Menschen meines Landes), einer eigenen Komposition, die die Hoffnung auf ein zukünftiges Bosnien zum Ausdruck bringt, das die verbliebenen Narben von Krieg, Nationalismus und Widerstand gegen Veränderungen überwindet: Ihr seid größer als eure Ängste / Stärker als eure Sorgen / … / Ändert euch, macht den Schritt / Gebt neue Impulse.

Sevdah ist das, was wir Bosnier am besten können, es durchdringt unser Leben auf bekannte und unbekannte Weise. Seine Sänger sind Chronisten unseres Schmerzes und unserer Freude. Und dann gibt es Meister wie Damir Imamović, die in der Lage sind, der Welt seine Bedeutung und Schönheit näher zu bringen. In der Tat ein Singer of Tales.

– Refik Hodžić, bosnischer Journalist und Aktivist