„Unsere Opfer – eure Täter“ –Erinnerungskultur und Vergangenheitsbewältigung auf dem Balkan

Paneldiskussion der Südosteuropa-Gesellschaft e.V.

28.04.2022 um 18 Uhr
Münchner Stadtmuseum

Panelisten

Prof. Jasna Dragovic Soso

Jasna Dragovic Soso ist Professorin für internationale Politik und Geschichte an der Goldsmiths University of London. Sie ist die Autorin von „Saviours of the Nation“: Serbia’s Intellectual Opposition and the Revival of Nationalism (Hurst and McGill-Queens University Press, 2002) und Mitherausgeberin von “State Collapse in South-Eastern Europe: New Perspectives on Yugoslavia’s Dissolution” (Purdue University Press, 2008, gemeinsam mit Lenard J. Cohen). Sie schreibt ausführlich zu Geschichte und Politik der Region des ehemaligen Jugoslawiens, mit einem besonderen Fokus auf Vergangenheitsbewältigung. Sie ist Mitherausgeberin der Palgrave-Buchreihe über Erinnerungspolitik und Übergangsjustiz (mit Jelena Subotić und Tsveta Petrova) und hat als Regionalexpertin mit verschiedenen nicht-akademischen Akteuren zusammengearbeitet, darunter das britische Außenministerium, die Internationale Balkan-Kommission sowie britische und internationale Medien. Derzeit ist sie Gastprofessorin an der London School of Economics und arbeitet an einem Buch über Erinnerungspolitik, Übergangsjustiz und Initiativen zur Einrichtung von Wahrheitskommissionen im Kontext der Jugoslawienkriege.

Dr. Nicolas Moll

Nicolas Moll, geboren 1965 in Brüssel, promovierte in Neuester Geschichte an der Universität Freiburg i. Br. und lebt seit 2007 in Sarajevo, Bosnien und Herzegowina. Als freischaffender Historiker und interkultureller Trainer interessiert er sich vor allem für Erinnerungsprozesse in Nachkriegsgesellschaften und für zivilgesellschaftliche Solidaritätsbewegungen innerhalb Europas. Er ist Koordinator von „Memory Lab – Trans-European Exchange Platform on History and Remembrance“.

Samir Beharić

Samir Beharić ist ein Jugendaktivist aus Bosnien und Herzegowina, Forschungsbeauftragter beim Balkan Forum und Doktorand an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Für seinen Einsatz für die Menschenrechte wurde er von der OSZE mit dem Max-van-der-Stoel-Preis 2018 für seine Bemühungen um die Verhinderung einer weiteren ethnischen Segregation an Schulen in Bosnien und Herzegowina ausgezeichnet. Samir ist derzeit Fellow des German Marshall Fund of the United States und war in der Vergangenheit als Lantos Congressional Fellow im US-Kongress in Washington, D.C., sowie als Schuman-Praktikant im Europäischen Parlament in Brüssel tätig. Er erhielt seinen Bachelor-Abschluss von der Universität Sarajevo und seinen Joint Master’s Degree von der Universität Wien und der Universität Leipzig.


Der gesellschaftliche Umgang mit der Kriegsgeschichte auf dem Balkan ist von einer stark polarisierten Erinnerungskultur geprägt. In den öffentlichen Diskursen der Länder werden oftmals gegensätzliche Täter-Opfer-Narrative propagiert mit einem starken Fokus auf der Leidensgeschichte der jeweils „eigenen“ Gruppe, während eine gemeinsame und grenzüberschreitende Vergangenheitsbewältigung und Aufarbeitung der Kriegsgeschichte ausbleiben. Solch kollektive Erinnerungen werden auch in den Familien häufig von Generation zu Generation weitergeben. Wenig überraschend führt daher das Gedenken an bestimmte Kriegsereignisse aus sehr unterschiedlichen Perspektiven häufig zu gesellschaftlichen und politischen Konflikten innerhalb und zwischen den Ländern des Balkans. Darüber hinaus wird die Geschichte des Balkans, obwohl integraler Bestandteil der Geschichte Europas, von westeuropäischen Geschichtsnarrativen und Erinnerungskulturen häufig ausgeblendet.

Vor diesem Hintergrund wird die Podiumsdiskussion das Thema Erinnerungskultur auf dem Balkan, insbesondere in Bosnien-Herzegowina, näher beleuchten und diskutieren, wie ein konstruktiver Umgang mit der gemeinsamen Geschichte erreicht werden kann. Wie kann eine integrative und konstruktive Erinnerungskultur geschaffen werden, die dem Anspruch aller Menschen auf Trauer gerecht wird? Wie können einseitige Täter-Opfer-Narrative bewältigt und eine Akzeptanz für alle Betroffenen der Kriege erreicht werden? Welche Rolle spielen dabei die Bereiche Bildung und Kultur? Wie kann eine Integration von west- und südosteuropäischer Erinnerungskultur und Geschichtsverständnis gefördert werden? 

Moderation: Viktoria Palm, Stellvertretende Geschäftsführerin der Südosteuropa-Gesellschaft

Sprache: deutsch (mit vereinzelter Konsekutivübersetzung aus dem Englischen)