Der Balkan und die EU – A Toxic Relationship?
Zwei romantische Partner können einfach nicht voneinander lassen, obwohl ihre Beziehung ihnen nicht guttut – ja, obwohl sie geradezu „toxisch“ ist.
Die augenzwinkernde Analogie der „toxischen Beziehung“ deutet auf ein ernsthaftes Problem zwischen der EU und den Balkanländern hin. Auch hier gibt es (emotionale) Manipulation, Untreue und manchmal – nicht oft genug – echte Liebe.
Auf den Balkantagen 2024 möchten wir diese „toxische Beziehung“ deshalb mit der leidenschaftlichen Mischung aus Leichtigkeit und Tiefgründigkeit untersuchen, die typisch für unser einzigartiges Kulturfestival ist.
Vor 20 Jahren hat die EU den Balkanländern auf dem sog. „Westbalkan-Gipfel“ eine Liebeserklärung gemacht und ihnen die Welt versprochen: eine stabile wirtschaftliche Entwicklung, ein besseres politisches System und vor allem einen baldigen EU-Beitritt.
Der Funke war übergesprungen und die unglückliche Liebesbeziehung nahm ihren Lauf: Viele junge Bürgerinnen und Bürger der Balkanländer kamen durch die Annäherung in die EU – eine demografische Katastrophe für die Herkunftsländer. Ihrerseits investierte die EU Milliarden in die Infrastruktur der Balkanländer – wobei diese Zuneigung nach der Wirtschaftskrise 2008 zunehmend entzogen wurde.
Insgesamt hat die EU ihr Gelübde nicht eingehalten und auch die Europawahl 2024 wird daran wohl nicht viel ändern. Denn die EU ist gespalten über die Beziehung zum Balkan: Zum einen braucht sie die Energie der Fachkräfte vom Balkan und freut sich über die Annehmlichkeiten des Balkans als Urlaubsziel. Zum anderen hat sie Bindungsängste, fürchtet sich vor Zuwanderung und Erweiterung.
Doch auch die Balkanländer verhalten sich nicht immer wie Traumpartner: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit lassen mitunter zu wünschen übrig. Unterdessen leiden die Balkanländer unter der ungewissen Zukunft. Deshalb liebäugeln sie auch mit Verehrern wie China, Russland, Türkei und anderen. Eine Dreiecksbeziehung – oder gar eine offene Beziehung! – ist allerdings schwer denkbar.
Doch eine Trennung von EU und Balkan kommt nicht in Frage, alleine aufgrund der geographischen Nähe. Auch kulturell, gesellschaftlich und geschichtlich schwingen EU und Balkan oft auf einer Wellenlänge.
Womöglich bedarf es also einer Paartherapie! Darin sollten viele offene Fragen und Beziehungsprobleme besprochen werden: Was müssten politische Entscheidungsträger*innen unternehmen, um eine konstruktive Beziehung zu ermöglichen? Welche Rolle sollte die Zivilgesellschaft übernehmen? Wie passt die Kultur des Balkans in ein vereintes Europa? Und vor allem: Können sich der Balkan und die EU erneut ineinander verlieben?
Auf den Balkantagen 2024 vollziehen wir diese Paartherapie durch ernsthafte wissenschaftliche und kulturelle Auseinandersetzung, z.B. auf unserem Symposium oder dem Literaturtag, ebenso wie durch Tanz, Musik und Gastfreundschaft, wie beispielsweise auf dem Balkanbasar. Denn eine gesunde Beziehung benötigt Verlässlichkeit und Bodenständigkeit ebenso sehr wie Freude und Ausgelassenheit.
Wir freuen uns auf die Balkantage 2024!
Sadija Klepo
Leiterin und Organisatorin der Münchner Balkantage
Geschäftsführende Vorständin des HVMZM e.V.